Laufende Promotionsprojekte des Musikwissenschaftlichen Seminars

Leah Biebert

Wabernde Sphärenklänge, sirrende Elektronik: Nirgends scheint die avantgardistische Musiksprache so gegenwärtig wie im Science-Fiction – als akustische Illustration für die Weite des Weltraums, die Bedrohung durch das Unbekannte und futuristische Technologien. Nachhaltig geprägt wurden diese Assoziationen nicht zuletzt durch Stanley Kubrick. Ausgehend von seinem Film 2001: A Space Odyssey beschäftigt sich das Dissertationsprojekt mit dem Einsatz von Sinfonik im US-amerikanischen Spielfilm und durchleuchtet dabei zwei Entwicklungslinien in der Filmmusik nach 1968: Die eine komponierte originäre Filmmusik mit Mitteln der zeitgenössischen Avantgarde, die andere bezog ihre Anregungen aus einer spätromantischen Tradition. Anhand der Scores von Jerry Goldsmith und John Williams soll gezeigt werden, wie sich mit konträren kompositorischen Mitteln eine gleichartige Aussage vermitteln lässt. Dabei geht es auch um das Potenzial dieser Musik, ein Narrativ auszubilden, welches über die bloße Verengung auf semantische Inhalte hinausgeht und sich von der Vorstellung löst, eine „avantgardistische“ Musiksprache als Bewältigungsversuch auf die Schrecken des 20. Jahrhunderts zu interpretieren. Indem es auf eine musikhistoriografische Umbruchsituation aufmerksam macht, trägt das Projekt einer pluralistischen Entwicklung Rechnung und steht damit exemplarisch für den filmischen Umgang mit Musik des 20. Jahrhunderts.

Christian Haber

Die Verbreitung minimalistischer und reduktionistischer Gestaltungstechniken in der Musikgeschichte der letzten Jahrzehnte sind Kernthema des Promotionsprojekts. Dabei soll gezeigt werden, dass die Ideen der amerikanischen Minimalisten der 1970er Jahre derart ins grundsätzliche Vokabular sowohl der E- als auch U-Musik eingegangen sind, dass es heute nahezu selbstverständlich erscheint, dass sich KünstlerInnen verschiedenster Stile, Genres und Zeitabschnitte, minimalistischer und reduktionistischer Techniken bedienen, ohne direkt auf das historische Ereignis der "Minimal Music" anzuknüpfen. Diese Universalität ist Zeichen einer global verbundenen und dabei diversen Landschaft unterschiedlichster Musikformen, die ungeachtet ihrer teils völlig verschiedenen Voraussetzungen immer wieder auf bestimmte ideelle Triebkräfte Bezug zu nehmen scheinen, deren Analyse und Bestimmung im musikwissenschaftlichen Diskurs in einer vom frühen Minimalismus weiterentwickelten Gesamtschau immer noch aussteht. Ziel des Projekts ist es also, die Praxis der minimalistisch-reduktionistischen Musikgestaltung in ihrer übergeordneten Systematik als historische Größe genre-unspezifischen Musizierens darzustellen.

Mirko Rechnitzer

Der kirchliche Gesang des westeuropäischen Christentums erscheint durch den Namen „Gregorianischer Choral“ als eine lange Zeit einheitliche Angelegenheit. Doch in Wahrheit liegen viele verschiedene Traditionen und Reformen vor. Sowohl geographisch als auch hinsichtlich diverser Ordensgemeinschaften wurde der Gesang unterschiedlich gepflegt. Gegenstand des Promotionsprojektes ist die Erforschung von Quellen aus dem nördlichen Mitteleuropa, besonders aus dem nördlichen Niedersachsen. Überliefert sind dabei jedoch nicht komplette Gesangbücher, sondern mehrere hundert Fragmente: Diese Blätter oder Bögen wurden aufgrund des robusten Pergamentes von Buchbindern ab dem 16. Jahrhundert, die sich für die vergangene Musik nicht mehr interessierten, zum Einbinden neu gedruckter Werke, von wissenschaftlichen Monographien bis hin zu Rechnungsbüchern, zweckentfremdet. Durch eine Analyse des Inhalts der Fragmente – der Gesänge, liturgischen Rubriken, der Notationsform und so weiter, aber auch durch eine Spurensuche auf der Überlieferungsgeschichte der Trägerbände, soll versucht werden, Licht ins Dunkel der liturgischen Gesänge und Praktiken im Gebiet des ehemaligen Erzstifts Bremen zu bringen

Johannes Bernet

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